Eine Bahnfahrt die ist lustig - eine Bahnfahrt die ist schöööön.
(jüh) Für heute stand auf unserem Tourenplan die Etappe von Cortina d‘ Ampezzo nach Toblach. Im vergangenen Jahr wollten wir diese Tour schon einmal fahren, aber die italienische Bahn hatte uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Durch Verspätung der Züge mussten wir damals die Tour umplanen. Um 8.30 Uhr waren wir startbereit. Das Frühstück nahmen wir heute ausnahmsweise in den Radklamotten zu uns. Mit dem Auto mussten wir zum Bahnhof Waidbruck ins Eisacktal fahren. Für diese Strecke benötigt man normalerweise 20 Minuten, aber an diesem Morgen war kein zügiger Verkehr auf den italienischen Straßen möglich. Endlich am Bahnhof angekommen, hatten wir nur noch 5 Minuten Zeit bis der Zug einlief. Schnell einen Parkplatz gesucht, die Räder vom Auto gehievt und im vollen Tritt zum Bahnhof. Als wir die Fahrkarten besorgten, fuhr der Zug schon an den Bahnsteig. In aller Aufregung sausten wir zum Bahnsteig. Nachdem wir die letzten Treppen zum Bahnsteig hinter uns gelassen hatten, sahen wir nur noch die roten Leuchten vom letzten Waggon in der Ferne. Zum ersten Mal war die italienische Staatsbahn pünktlich. Kurz Luft geschnappt und nicht den Mut verlieren, war unsere Devise. Der nächste Zug kam ja ½ Stunde später. Und er kam auch ½ Stunde später. Angetreten in einer Reihe, standen wir mit unseren Bikes auf dem Bahnsteig und warteten bis der Zug zum Stehen kam. Die Türen öffneten sich und eine Bahnbegleiterin stoppte genau vor uns und verweigerte den Eintritt in den Zug. Ich bin voll, lautete ihre Begründung auf italienisch-deutsch. „Wie voll“, klang es aus sechs Männerkehlen vereint wie ein Donkonsakenchor. Nach einer kurzen Ansage, dass der Zug belegt wäre und unsere Fahrräder keinen Platz mehr hätten, schlossen sich alle Türen und der Zug rauschte von Dannen. Zurück blieben sechs Biker mit einem knallroten Kopf, die mit ihren roten Vereinstrikots aussahen, als seien sie bei Ferrari beschäftigt. Aber unsere Devise war ja kurz Luft schnappen, den Mut nicht verlieren, denn in einer ½ Stunde kommt ja der nächste Zug. Und so war es auch. Aller guten Dinge sind drei, dachten wir. Im dritten Zug durften wir endlich unsere Fahrräder verstauen. Jetzt schnell einen Sitzplatz gesucht und zuerst mal entspannen. Die Fahrt ging nach Franzenfeste, dort mussten wir umsteigen ins Pustertal nach Toblach (1.256 m.ü.M). Die Zugreise durchs Pustertal ist herrlich und lang. Durch die Verzögerung war uns jetzt schon klar, dass wir die geplante Route von Cortina d‘ Ampezzo nicht radeln konnten. Nach einer Entspannung von 15 Minuten kam ein Schaffner der italienischen Staatsbahn FDS (Ferrovio dello Stato) in unser Abteil und kontrollierte die Fahrscheine. Ein junger Mann in einer schwarzen Hose, dunkelgrünen Jacke, dunklen Lackschuhen und gestreifter Krawatte, tadelloses Aussehen. Er verlangte von uns die Fahrscheine, die wir ihm aushändigten. Nach der Kontrolle der Fahrscheine kam ein Lächeln über seine Lippen. Gleich darauf sagte er, die Fahrkarten seien nicht entwertet und deshalb ungültig. Wir müssten mit einer Strafe wegen Schwarzfahrens in Höhe von 200,00 EUR pro Person rechnen. Wir hatten die Fahrkarten am Automaten in Waidbruck gezogen, aber bei der Hektik vergessen, die Karten zu entwerten. Nach einer langen Diskussion machten wir ihm klar, dass wir mit dem Kartenautomaten nicht zu Recht kamen und zeigten uns reumütig. Der Kompromiss war, dass wir am Bahnhof Bruneck aussteigen und unter seiner Anleitung die Karten entwerten. Wir nahmen ohne zu murren das Angebot an. Als der Zug in Bruneck angehalten hatte, wartete der Zugführer auf dem Bahnsteig schon auf uns. Im Gänsemarsch folgten wir dem Beamten durch die Bahnhofshalle zum Entwertungsautomaten. Eine kurze Anleitung, entwerten aller Fahrkarten und zurück zum Zug, der auf uns warten musste. Peinlich, peinlich. Um 12.20 Uhr endlich trafen wir in Toblach ein. Heute stand eine außergewöhnliche Radtour auf dem Programm. Von Toblach wollten wir mit dem Bus nach Cortina d‘ Ampezzo. Von dort aus wollten wir einem alten Eisenbahndamm folgen, der durch die spektakuläre Gebirgslandschaft der Dolomiten bis nach Toblach, ca. 60 km, führt. Aber wir bekamen keinen Anschlussbus mehr. Also planten wir die Tour schnell um und fuhren als Alternative durch das Pustertal nach Bruneck. Der Pustertal-Radweg gilt als lohnender Radweg, keine nennenswerte Steigungen. Insgesamt ist er 105 km lang, von Mühlbach bis nach Lienz in Osttirol. Und los geht’s. Endlich können wir in die Pedale treten. Von Toblach nach Niederdorf, Welsberg, Oberolang, Percha bis Bruneck. Auf einer Höhe von 700 m bis ca. 1.600 m erstreckt sich im Osten Südtirols das Pustertal, wo sich die Bergmassive der Drei Zinnen und der Sextner Dolomiten erheben. Wir erlebten eine Radreise, die reich an Geschichte und Kunst, an landschaftlichen Attraktionen und kulinarischen Verführungen ist. Wir bewegten uns im Reich der bizarren Bergformen, der tiefen Täler und weitläufigen Hochebenen. Genüsslich rollten wir durch die Tallandschaft. Der Radweg ist zum größten Teil asphaltiert und verläuft in der Nähe des Flusses Reinz. Ein herrlicher Spätsommertag hatte uns für vieles heute entschädigt. Vor unseren Augen breitete sich die Vegetation in ihren schönsten Farben aus. Nach einem kurzen Fotoshooting an einem großen Beet mit Blumen hatten sich einige dergleichen im Fahrradhelm von Franz R. niedergelassen. Unser Blumenkind transportierte die Pflanzen bis nach Bruneck. Die Rückfahrt musste öfters unterbrochen werden, weil die Radkette von Jürgen H. nicht auf dem Ritzel bleiben wollte. Jeder Schaltvorgang war in der ganzen Gruppe zu hören und vor jedem Anstieg hängte der schwarze Antriebsriemen auf der Straße. Nach einer technischen Pause war klar, dass der Umwerfer defekt ist. Eine provisorische Einstellung durch Stephan K. und weiter ging’s. Die restlichen Reparaturarbeiten wurden am Abend vom technischen Dienst geleistet. Nach ca. 40 km erreichten wir die Altstadt von Bruneck. Bruneck ist eine Stadt, die 1.256 n. Chr. erstmalig urkundlich erwähnt wurde und heute Hauptort des Pustertales und die fünft größte Stadt Südtirols ist. Sie liegt an der Mündung der Ahr, die in die Reinz fließt. Der Name ist wahrscheinlich auf den Gründer der Stadt, Fürst - Bischof Bruno von Kirchberg zurückzuführen. In der romantischen Fußgängerzone entdeckten wir ein schönes kleines Cafe, in dem wir mit Eis und Espresso von einer netten Italienerin verwöhnt wurden. Der Tag ging wieder einmal zur Neige, so dass wir zur Rückfahrt den Bahnhof in Bruneck aufsuchten mussten. Nach einer Zugfahrt von ca. 40 Minuten erreichten wir den Ausgangspunkt Waidbruck. An diesem Abend kamen wir richtig ausgeruht an unserem Hotel an. Kein Wunder, wenn man den halben Tag Gast der Italienischen Staatsbahn (Ferrovie dello Stato) ist.
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