Wanderwege im Dornröschenschlaf
(jüh) Nach einer unruhigen und durch den Bahnbetrieb lauten Nacht, trafen wir uns um 7.30 h zum Frühstück. Die Frühstücksausgabe erinnerte etwas an das Treiben in einem Münchner Oktoberfestzelt. Nichts desto trotz war das Frühstück gut und reichhaltig. So manches Gesicht unserer Gruppe sah noch etwas müde aus, denn neben der Jugendherberge verlief direkt die Bahntrasse. Durch das Rheintal führt die Hauptschlagader für Güterverkehr der Deutschen Bahn, die Nord-Süd-Verbindung. Die Güterzüge rasen mit einem schrillen Lärm in kurzen Abständen links und rechts des Rheins durch das Tal. So malerisch und herrlich auch dieses Gebiet ist, darf man nicht die Bewohner vergessen, die in ihren kleinen alten Städtchen tagein tagaus diesem Lärm
ausgesetzt sind. Unsere Etappe soll uns heute von St. Goarshausen zur Loreley und weiter bis nach Kaub führen. Beim Aufbruch gegen 9.30 h fiel etwas Regen aus den Wolken, die sich aber schnell auflösten. In der ersten Bäckerei füllten wir die Proviantsäcke wieder auf, somit war der nächste Pausenschmaus gesichert. Fit und gut gelaunt machten wir uns auf den Weg der zweiten Etappe. Obwohl am Morgen einige Meter Tapeverband verarbeitet wurde, war die Gruppe schon wieder flott unterwegs. Mit der Fähre mussten wir wieder nach St. Goarshausen übersetzen. Diese Etappe ist das Highlight des gesamten Rheinsteigs. Der Rheinsteig führt uns
zunächst an der Burg Katz vorbei, lang steil bergauf bis auf das Plateau nach Dörscheid. Spätestens hier machten sich unsere Getränkevorräte denkbar nützlich. An vielen tollen Aussichtspunkten kann man den Rhein mit seinen vielen Kehren bewundern. Vom Spitznack haben wir einen herrlichen Blick zur Loreley. Man sollte an manchen Stellen schwindelfrei sein. Durch die Weinberge im schnellen Schritt gelangen wir auf den weltberühmten Loreleyfelsen. Auf dem Felsplateau befindet sich ein neues Besucherzentrum, in dem uns Franz eine Pause gönnte und wir uns mit einem Kaffee stärkten. Ein paar Fotos geschossen und weiter geht's. Marions Fuß schmerzte von km zu km mehr. Eine blöde Druckstelle in ihrem Wanderschuh machte das Gehen zur Qual, aber sie biss auf die Zähne. Nach ca. 15 km musste Marion nach einem langen Abstieg den Rheinsteig verlassen. Ein weiteres Wandern war unter diesen Umständen nicht mehr möglich. Rüdiger und Marion stiegen ins Tal ab und führten ihren Weg am Rhein entlang nach Kaub fort. Der Rest der Gruppe quälte sich wieder einmal einen langen Aufstieg hinauf. Am Aussichtspunkt Rossstein blickten die Wanderer auf „hohem Niveau“ neugierig in den Talboden hinunter. Die Schiffe lenken als erstes den Blick auf sich. Sie gleiten ruhig über das Wasser und fügen sich zu kleinen Ketten oder engen Schubverbänden aneinander. Die Orte am gegenüberliegenden Ufer entfalten ihre Individualität durch Kirchen und Burgen. Wohnhäuser und Straßen sehen aus wie Spielzeug, die Züge gleichen schnellen Raupen. Die von der Sonne beschienenen steilen Hänge erlaubten hier seit dem frühen Mittelalter den Anbau des „Kultgetränks“ Wein. Es gibt erstaunlich stille Nebentäler. Vereinzelt dringt vom Talgrund der Lärm von Zügen herauf. Die letzten vier Wanderer waren nach 20 km durch Waldstücke und Trampelpfade so langsam erschöpft, aber es waren noch 5 km bis nach Kaub. Der Waldbestand ist hier in dieser Gegend klimatisch herausragend. Buchenbestände, z. T. gemischt mit Eichen, Rubinien, z. T. wild malerisch mit Lianen überwuchert, und Esskastanien zeigen sich hier. Langsam trottet die Gruppe auseinander. Gabi hat sich, ohne jeglichen Schweiß zu verlieren, an die Spitze abgesetzt. Dagegen musste Jürgen schon zweimal das Hemd wechseln. Uns ging auch irgendwann der Gesprächsstoff aus, so dass in einem Abstand von ca. 5 m die Wandersleute jeder in seine eigene Meditation glitt und einfach nur die Natur genoss. Kaub rückte für Gabi, Petra, Franz und Jürgen immer näher. Mittlerweile hatten wir mit unseren Mitwanderern per Handy Kontakt aufgenommen und einen Treffpunkt am Bahnhof Kaub ausgemacht. Noch einmal einen steilen Abstieg und wir hatten es geschafft. Die letzten Meter über den Asphalt zum Bahnhof waren die schlimmsten. Mittlerweile merkten wir die Anstrengung im ganzen Körper. Die Gruppe war sehr erleichtert als wir uns alle am Bahnhof gesund wieder trafen. Marion und Rüdiger hatten schon die Fahrkarten besorgt und ihren Flüssigkeitshaushalt ausgeglichen, was die anderen direkt nachholten. Nach ca. 25 km ging eine tolle Wandertour zu Ende. Um 17.45 h stiegen wir in den Zug nach Rüdesheim und Bingen. Die Heimreise im Zug gab uns noch einmal Gelegenheit über dieses Erlebnis zu reden und noch einmal vom Rheinsteig zu träumen. Nach einiger Zeit wurde es unter den Wanderern ruhig und ihre Augen gingen in die wohlverdiente Ruhestellung. Gegen 21.00 h lief der Zug in Ottweiler ein, wo sich die Wandersleute auch verabschiedeten. Zuletzt noch eine Anmerkung: Die Wandertour war hervorragend von Jürgen Knapp und Franz Risch geplant. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit dieser kleinen Wandergruppe 50 km in 2 Tagen zurückzulegen. Viel Humor, viele interessante Gespräche und vor allem viel Lachen war bei allen angesagt. Man trennte sich an diesem Abend mit etwas Wehmut. Man wusste aber, dass man sich von Freunden verabschiedet und hofft, dass so eine Wanderung irgendwann wiederholt wird.
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