Vom Kronplatz über Schotterstraßen an den alten Champions des Giro d’Italia vorbei ins Tal hinab.
Am heutigen Tag hatten wir uns entschlossen auf den Spuren des Giro d’Italia eine Etappe zu fahren. Franz plante eine Tour zum Kronplatz, die in der Rennradszene sehr bekannt und gefürchtet ist. Der Start ist in Vigie in Enneberg auf 1.193 m und Ziel der Kronplatz auf 2.275 m. Dazwischen liegen 12,9 äußerst schwierige Kilometer mit einem Höhenunterschied von über 1.000 m, einer mittleren Steigung von 7,9 % und einer maximalen Neigung von 24 %. Vom Turkelpass bis zum Gipfel des Kronplatzes ist die Straße nicht geteert und nur mit einer stabilisierten Geröllschicht überzogen. Wer in die Geschichte des Giro d’Italia aufgenommen werden möchte, muss zunächst den Kronplatz über diese Strecke bezwingen.
An diesem Morgen war nichts drin mit einem gemütlichen Frühstück. Da wir um 9.00 h mit dem Zug in Waidbruck Richtung Pustertal abfahren wollten, mussten wir noch 25 Minuten mit dem Auto zurücklegen. Als wir am Bahnhof in Waidbruck angekommen waren, hatte der Zug – wie sollte es auch sonst sein – 30 Minuten Verspätung. Als der Zug endlich kam und wir einstiegen, stockte uns der Atem. Vor uns stand der gleiche Zugbegleiter, der uns im letzten Jahr wegen den nicht richtig entwerteten Fahrkarten im Bahnhof von Brunneck stramm stehen ließ. Man trifft sich halt immer 2mal im Leben. Über Franzenfeste gelangen wir nach Brunneck, unserem Ausgangspunkt. Unser erstes Ziel für heute wird am Gipfel des Kronplatzes sein. Er ist der Hausberg von Brunneck und das größte Skigebiet mit phantastischer Aussicht auf 360 ° Alpen und Dolomiten. Vom Bahnhof radeln wir stetig bergauf bis zur Seilbahn. Mittlerweile hatte sich das Wetter verschlechtert und dicke schwarze Wolken zogen heran. An der Seilbahnstation angekommen, wurden gerade alle Kassenhäuschen zur Mittagspause geschlossen. Das hieß für uns eine Pause von ¾ Stunde ist jetzt angesagt. Jetzt kam auch noch der Regen anmarschiert und zwang uns, einen Unterstand aufzusuchen. Plötzlich entschied sich Bruno, sich von uns zu trennen und den Puster-Radweg nach Franzenfeste zurückzufahren. Weil er im vergangenen Jahr nicht an dieser Tour teilnehmen konnte, wollte er sich diesen schönen Radweg heute nicht entgehen lassen.
Stephan K. hatte die ganze Zeit die Schlechtwetterfront im Blick und sagte einen bevorstehenden Weltuntergang voraus. Aber nichts desto trotz entschlossen sich die Funbiker mit der Seilbahn zum Kronplatz hinauf zu fahren.
Der Kronplatz ist der Skiberg Nr. 1 in Südtirol. In der Wintersaison sind hier allein 250 Mitarbeiter damit beschäftigt, die Skiasse aus allen Ländern auf den Berg hinauf und wieder hinab zu befördern. 20 moderne Kabinenbahnen, 6 Sessellifte sowie 6 Schlepplifte führen von 3 Seiten auf die meist baumfreie und sanft abfallende Kuppel dieses Aussichtsberges hinauf. 100 km Pisten sind in der Winterzeit zu präparieren und in der Hauptsaison können bis zu 62.000 Personen in der Stunde befördert werden. Was dies mit ökologischem Skigebiet zu tun hat und wie man hier den Tourismus im Einklang mit der Natur vereinen möchte, ist uns in diesem Augenblick nicht verständlich. Vergessen darf man auch nicht das Biathlonzentrum von Antholz, das hier um die Ecke liegt und im Winter tausende von Fans anlockt. Endlich auf dem Kronplatz angekommen, zeigte sich der Wettergott gnädig und die Regenwolken verziehen sich in die Weiten des Horizonts.
Der Name Kronplatz stammt aus der südtiroler Sage „Fanes“. Am Kronplatz soll Dolasilla, die unverwundbare Heeresgöttin und Prinzessin des Reiches der Fanes, gekrönt worden sein. Vom Gipfelplateau (2.278 m) hat man einen herrlichen Ausblick auf den Alpenhauptgang. Anlässlich der Jahrhundertwende hat man auf dem Gipfelplateau des Platzes eine große Glocke aufgestellt. Der Anblick des Bauwerkes versetzte uns ins Staunen. Die Friedensglocke „Concordia 2.000“ (Göttin in der Eintracht) wurde im Sommer 2003 in die Spitze des Aussichtsturmes installiert und wiegt mehrere Tonnen. Beim Geläut dieser Glocke bekommt man in einigen Teilen des Pustertales Gänsehaut. Und jetzt ist unser radfahrerisches Können gefragt. Auf dem Weg des Giro d‘ Italia geht es nach S.Vigilio in Richtung Ehrenburg. Gut 1/3 dieser Strecke ist Schotterstraße. Für das Radrennen wurde die Strecke mit einem Geröll-Zement-Gemisch überzogen und mit Walzen angedrückt. Dadurch wurde die Strecke stabilisiert, ohne ihr den Charakter einer Schotterstraße zu nehmen. Mit heißen Bremsen ging es für uns jetzt bergab und nicht wie bei den Radprofis bergauf. Um die großen Giro-Sieger der Vergangenheit zu ehren, wurden in den 13 Kehren der Schotterstraßen zum Kronplatzgipfel große PVC-Schilder mit Bildern der verstorbenen Champions mit Widmung aufgestellt. Vom Aussehen könnten wir mit dem einen oder anderen Giro-Sieger noch mithalten, aber von der sportlichen Leistung sind wir noch einige Lichtjahre entfernt. In einer Linkskurve rutschte Jürgen H. das Vorderrad weg und er musste ungewollt mit dem Dolomitenboden Kontakt aufnehmen. Nach einer rasanten Rutschpartie auf seinem Rucksack kam er am Grasrand zum Stehen. Leider konnte das Schauspiel nur von Franz beobachtet werden, der Rest der Truppe waren einige 100 m zurück. Franz bot sofort seine Hilfe an, aber im gleichen Augenblick schoss er zuerst noch ein Foto. Jürgen H. sah aus wie ein Bäckerlehrling, dem ein Sack Mehl geplatzt ist. Der weiße Dolomitenstaub hatte in ihm um Jahre altern lassen. Die wenigen dramatischen Blessuren wurden fachmännisch behandelt und weiter ging die herrliche Abfahrt ins Tal. In S. Vigilio angekommen machten wir noch eine kleine Pause. Danach führte unser Weg weiter Richtung Bahnhof Ehrenburg. Die heutige Tagesetappe zählte ca. 50 km durch einen wunderschönen Naturraum der Alpen. Ein Tag ohne Kuchen und Müsliriegel, was uns aber nicht schadete. Ein perfekter Tag mit einer perfekten Tour. Vom Bahnhof Ehrenburg nahmen wir den Zug, zweifelsohne einem billigen Transportmittel in Italien und fuhren nach Franzenfeste zurück. Dann während der Fahrt war es endlich so weit, das Unwetter, welches von Stephan K. am Morgen schon prognostiziert wurde, traf jetzt ein. Starker Regen, Sturmböen und Gewitter machten sich im Pustertal breit. Beim Umsteigen in Franzenfeste wurden wir noch einmal von oben bis unten durchnässt, bevor wir die Heimfahrt antreten konnten. Als wir in Waidbruck am Auto ankamen, wartete dort schon Bruno. Er ist heute allein über 90 km durchs Pustertal geradelt. Hut ab vor dieser Leistung.
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